Definition:

Fibromyalgie ist eine chronische, veränderte Schmerzwahrnehmung, oft unheilbar. Beschreibt einen Beschwerdekomplex im Bewegungsapparat mit funktionellen und psychischen Störungen. Ursachen unklar. Genetische Komponente nicht bekannt, jedoch familiäre Häufung zu beobachten.

Untergruppen lt. Häuser:
Leichtgradiges FMS (Keine Progredienz der Beschwerden und Aktivitätsstörungen, geringe Aktivitätsstörungen, gutes Ansprechen auf Therapie)
Mittelgradiges FMS (Allmähliche Progredienz der Beschwerden und Aktivitätsstörungen, mittlere Aktivitätsstörungen, partielles Ansprechen auf Therapie)
Schwergradiges FMS (Rasche Progredienz der Beschwerden und Aktivitätsstörungen, ausgeprägte Aktivitätsstörungen, kein Ansprechen auf Therapie)

Schwere der konkomitanten Depression bei Stratz und Müller:

  1. Fibromyalgie ohne Depression
  2. Fibromyalgie mit schmerzreaktiven Depressionen
  3. Fibromyalgie mit endogener depressiver Komponente
  4. Somatoforme Schmerzstörung vom Fibromyalgietyp

Muskelbiopsien zeigen Athrophie der Typ-II-Fasern. Tendenziell zeigte sich Typ-I-Faser Hypertrophie. Störung der zirkadianen Rhythmik des Cortisols, einer Erniedrigung des Serotonin-Spiegels, einer Erhöhung des Spiegels von Substanz P und einem Mangel an Wachstumshormonen darstellen. Hinweise auf Dysregulation
der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrindenachse. Auffällig auch vermindertes Selbstwertgefühl.

Kriterien nach Yunus:
Mindestens 5 von 20 positiven tender points und Generalisierte Schmerzen oder Steifigkeit in 3 verschiedenen Körperregionen und Mindestens 3 von 10 weiteren Kriterien sind erfüllt:

  • Modulation der Symptome durch körperliche Aktivität
  • Modulation der Symptome durch Wettereinflüsse
  • Modulation der Symptome durch Stress/Ängstlichkeit
  • Schlafarmut
  • Allgemeine Müdigkeit/ Erschöpfung
  • Ängstlichkeit
  • Chronische Kopfschmerzen
  • Irritables Kolon
  • Subjektive Schwellungszustände
  • Gefühllosigkeit, Taubheitsgefühl

Diagnostische Kriterien nach Müller und Lautenschläger:

  • Spontaner Schmerz in der Muskulatur, im Verlauf von Sehnen und Sehnenansätzen mit typischer stammnaher Lokalisation, die über mindestens 3 Monate in 3 verschiedenen Regionen vorhanden sind
  • Druckschmerzhaftigkeit an mindestens der Hälfte der typischen Schmerzpunkte (Druckdolorimetrie oder digitale Palpation mit ca. 4 kp/cm² mit sichtbarer Schmerzreaktion)
  • Begleitende vegetative und funktionelle Symptome inkl. Schlafstörungen
  • Psychopathologische Befunde (Depressivität, Verhaltensauffälligkeiten)
  • Normale Befunde der gängigen Laboruntersuchungen

Mindestens 3 der vegetativen Symptome und funktionellen Störungen müssen nachweisbar sein:

Vegetative Symptome:

  • Kalte Akren (Hände)
  • Trockener Mund
    Hyperhidrosis (Hände)
  • Dermographismus
  • Orthostatische Beschwerden (lage- und lagewechselabhängiger Schwindel)
  • Respiratorische Arrhythmie
  • Tremor (Hände)

Funktionelle Störungen:

  • Schlafstörungen
  • Gastrointestinale Beschwerden (Obstipation, Diarrhöe)
  • Globusgefühl
  • Funktionelle Atembeschwerden
  • Par-(Dys-) Ästhesien
  • Funktionelle kardiale Beschwerden
  • Dysurie und/oder Dysmenhorrhoe

Epidemiologie:

Betroffen zwischen 0,6 und 4% der Bevölkerung, hauptsächlich Frauen. Beginn allgemein gegen Ende 20, Mitte 30 voll ausgeprägt. Genetische Komponente nicht bekannt, jedoch familiäre Häufungen zu beobachten.

Symptome:

Erschöpfung
Morgensteifigkeit
Schlafstörungen
Parästhesien
Kopfschmerzen
Ängstlichkeit
Depression
Trockenes Auge
Reiz-Darm-Syndrom
Vermehrter Harndrang
Raynaud-Syndrom

66 – 82%
77%
66-75%
31-53%
53-82%
28-48%
32-48%
10-36%
30-48%
26-32%
17%

Krankheitsverlauf:

Krankheit beginnt häufig schleichend oder unauffällig. Anfangs oft unspezifische Befunde (z.B. Abgeschlagenheit, Schlafstörungen, Magen-Darm-Beschwerden). Später Schmerzen im Bereich der LWS oder HWS. Danach entwickelt sich erst typischer Schmerz in Armen und Beinen. Keine kontinuierliche Verschlimmerung, häufige Schmerzattacken von schmerzfreien Intervallen abgelöst. Verschlimmerung durch Kälte, Nässe, äußere Belastung oder starke Sonneneinstrahlung. Bis zur vollständigen Herausbildung der Krankheit dauert es oft bis 7-8 Jahre.

Diagnose:

Kein eindeutiger Aufschluss durch Laborwerte oder Röntgenbilder. Zuhilfenahme von Tender-Points; mindestens 11 von 18 müssen positiv sein. Vermutlich, wegen Ansammlung von Übersäuerungsgewebestrukturen, schmerzhaft.

18 Tender Points of Fibromyalgie
18 Tender Points of Fibromyalgie

Diagnosekriterien:

  • Spontane Schmerzen in Muskulatur im Verlauf von Sehnen und Sehnenansätzen, die über mind. 3 Monate in 3 Regionen vorhanden sind
  • Druckschmerzhaftigkeit der Tender-Points
  • Begleitende vegetative und funktionelle Symptome (Schlafstörungen, Müdigkeit, Kopfschmerz/Migräne, kalte Hände/Füße, trockener Mund, übermäßige Schweißproduktion, Kreislaufbeschwerden, Schwindel, Magen-/Darmbeschwerden, Globusgefühl, funktionelle Herz- und Atembeschwerden, Missempfindungen, v.A. kribbeln

Differentialdiagnose:

Abgrenzung von:

  • Myofaszialem Schmerzsyndrom
  • Rheumatoide Arthritis
  • Perniziöse Anämie (Vitamin B-12 Mangel)
  • Polyneuropathie
  • Borreliose
  • Hashimoto-Thyreoiditis
  • Multiple Sklerose
  • Epstein-Barr-Virus
  • Enthesiopathien
  • Somatisierungsstörung
  • Hypochondrie
  • Neurasthenie

Therapie & Erfolg:

Multimodales Schmerzkonzept:
Aufklärung über Krankheit, verhaltenstherapeutisch ausgerichtete Psychotherapie. Physikalische Therapie: mechanische, thermische und elektrische Anwendungen. Medizinische Trainingstherapie (MTT), Bewegungsbad (Aqua-Fitness, AquaWalking), Wandern, Walking, Nordic-Walking Ausbelastung sollte vermieden werden. Akupunktur und Massage wird empfohlen.

Medikamente:
Bisher keine medikamentöse Standarttherapie herausgebildet. Klassische Schmerzmittel meistens ohne Erfolg. Erfolgreich oft Antidepressiva (hauptsächlich trizyklische Antidepressiva in niedriger Dosierung) oder Muskelrelaxanzien.

Ernährung:
Durch Übersäuerung (niedriger pH-Wert) entsteht ein Teufelskreis:
Übersäuerung → Kristalle → Reizung → Entzündung → Übersäuerung → …

Empfohlen wird:
Bei Eisenmangel Rindfleisch
Tomaten und Paprika ohne Schale (vor Verzehr in heißes Wasser legen)
Leitungswasser vorher abkochen oder übernacht stehen lassen, dass Chlor entweichen kann
Unter Vorbehalt Vollkornprodukte, Brot sollte selbst gebacken werden

Verzichten sollte man auf:

  • Fleisch (besonders Schweinefleisch)
  • Milchprodukte (Käse, Joghurt, Milch)
  • Tomaten, Paprika, Erbsen, Bohnen
  • Am Ende süßlich schmeckende Fische, Garnelen und Calamari
  • Leitungswasser

Naturheilverfahren:

  • Wärmebehandlungen (z.B. Fangomassage, Thermalbäder, Kältekammer) wegen
  • schmerzlindernder Wirkung empfohlen, ebenso Akupunktur mit ganz dünnen Nadeln

Erfolg:
Heilung kaum möglich, Ziel ist die Steigerung der Lebensqualität

Soziale Konsequenzen:
Wegen langer Zeit bis zur richtigen Diagnose droht wegen Ausfallzeit der Verlust des Arbeitsplatzes. Wegen großer Einschränkungen der Beschäftigung (keine körperliche Schwerarbeit, Zwangshaltung, Akkordarbeit oder besondere Stressbelastung) ist die Vermittlung oft schwierig. Ausmaß der Behinderung sollte individuell erfolgen. Anerkennung als arbeitsunfähig oft schwierig.

Zusammenfassung:

Fibromyalgie oft große therapeutische Herausforderung. Wichtig ist Früherkennung. Ursachen nicht bekannt. Wirkungsvollste Behandlung derzeit: Multimodales Schmerzkonzept (Kombination von physikalischer Therapie, Medikamenten und Verhaltenstherapie).